Allgemein, Care for Chronic Condition, Hospitation, Kurzberichte

Kurzbericht: Versorgung von querschnittgelähmten Patienten – interdisziplinäre Hospitation in der Schweiz (Perspektive der Pflege)

Autoren: Melanie Heckel und Simon Fink

 

Im April 2016 konnten wir im Rahmen des Programms Care for Chronic Condition eine interdisziplinäre Teamhospitation am Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil durchführen, an der neben dem ärztlichen Sektionsleiter des Querschnittsgelähmtenzentrums unserer Einrichtung, der Orthopädischen Universitätsklinik Ulm, auch zwei Vertreter der Pflege und je ein Vertreter aus Ergo- und Physiotherapie teilnahmen. Der folgende Kurzbericht nimmt die Perspektive der Pflegenden in den Blick.

Paraplegiker-Zentrum Nottwil, Schweiz

Paraplegiker-Zentrum Nottwil, Schweiz / Foto: Simon Fink

Ausgangssituation

Querschnittsgelähmte Patienten benötigen hochqualifizierte Pflege, Therapeuten und Ärzte, um von ihrer Rehabilitation optimal zu profitieren und soweit wie möglich selbstständig werden zu können. Um Komplikationen der Querschnittslähmung zu vermeiden, bedarf es einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit und eines ständigen Austauschs zwischen dem Team und dem Patienten. Die Aufgaben der Pflege sind hier u. a. die neurogene Blasen- und Mastdarmlähmung, das Wundma-nagement, die Beatmung, die Kinästhetik und die Förderung der Selbstständigkeit. Die Bezugspflege ein wichtiger Baustein der Behandlung. Sie stellt den primären Ansprechpartner für den Patienten (von Anfang der Rehabilitation bis zur Entlassung nach Hause) sowie für Therapeuten und Ärzte dar, um gemeinsame Ziele zu erreichen. Auch Kinästhetik – ein Konzept, das den Schwerpunkt auf die eigene Bewegung und Körperwahrnehmung legt – hat einen wichtigen Stellenwert in der Versorgung querschnittsgelähmter Patienten.

Ziel der Hospitation

Das Thema der Teamhospitation lautete „Versorgung von querschnittgelähmten Patienten von der Aufnahme bis zur Versorgung im häuslichen Bereich“. Das zentrale Ziel aus Sicht der Pflege war es, neue Modelle der Kinästhetik und der Bezugspflege kennenzulernen, die die Patienten und deren Angehörige in den Mittelpunkt stellen. Im Wesentlichen ging es darum, die begonnenen Konzepte weiter zu entwickeln und innovative Modelle kennen zu lernen, in denen die Pflege Verantwortung übernimmt und – in Zusammenarbeit mit den anderen Disziplinen – die bestmögliche Patientenversorgung gewährleistet.

Neue Blickwinkel

Im Rahmen unserer Hospitation am Paraplegiker-Zentrum Nottwil in der Schweiz haben wir auch aus pflegerischer Sicht spannende und interessante Einblicke in die dortigen Konzepte der Kinästhetik und Bezugspflege gewinnen können. Bei der Bezugspflege wurden durchaus ähnliche Problematiken deutlich – mit dem positiven Effekt, dass man die eigenen Problemstellungen einmal aus einem anderen Blickwinkel betrachten konnte. Dank der bildlichen Darstellung des Zeitaufwandes für den dokumentarischen Anteil der Bezugspflege konnten wir gezielt lernen, wo wir unser Zeitmanagement optimieren können. Gezielte Fallbesprechungen halfen, Zeit zu sparen und Mehraufwand zu vermeiden.

Teamhospitation in der Schweiz / Foto: Simon Fink

Teilnehmende der Teamhospitation in der Schweiz / Foto: Simon Fink

Interprofessionelle Zusammenarbeit

In der Hospitation konnten wir u.a. auch eine neue Möglichkeit kennenlernen, Patienten im Bett angenehmer nach oben zu transferieren. Darüber hinaus konnten wir bei der Erstmobilisation einer Patientin mit Ergotherapeutin und Pflegekräften dabei sein, was für uns auch im Hinblick auf die interprofessionelle Zusammenarbeit hilfreich war. Die Pflegeexperten tauschen sich in regelmäßigen Treffen aus und erörtern neue Erkenntnisse. Pro Station gibt es mindestens einen Experten, der für die Kollegen Ansprechpartner ist und Unterstützung geben kann.

Erkenntnistransfer

Die Hospitation bewerten wir als erfolgreich. Sie gab den Anstoß, eigene Probleme in einem anderen Licht zu sehen, vorhandene Strukturen zu hinterfragen und nach neuen Lösungen zu suchen. So wird beispielsweise ein wöchentliches Team nach ICF-Standard angepasst. Darüber hinaus wurde klar, dass praxisbezogene Schulungen im Bereich der Kinästhetik durchgeführt werden müssen, aber auch einzelne konkrete Anleitungen z. B. Tetra-Arm-Lagerung, Knietransfer etc. noch mehr geschult werden müssen. Fallbesprechungen in der Bezugspflege geben Sicherheit und Verständnis für das Thema. Eine Zeitoptimierung sowie tägliche spontane Einzelschulungen werden eingeführt bzw. fokussiert. Dass die Hospitation im interdisziplinären Team durchgeführt wurde, bewerten wir als sehr hilfreich, da nicht nur der interdisziplinäre Zusammenhalt sondern auch der Austausch zwischen den verschiedenen Fachbereichen gefördert wurde.

Wir hoffen, dass durch die Hospitation eine Kooperation zwischen SPZ Nottwil und RKU entsteht, durch die zukünftig ein regelmäßiger Austausch stattfinden kann.
Melanie Heckel, Gesundheits- und Krankenpflegerin, Bezugspflegerin und Praxisanleiterin, Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm
Simon Fink, Gesundheits- und Krankenpfleger, Praxisanleiter, Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm