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Kurzbericht: Versorgung von querschnittgelähmten Patienten – interdisziplinäre Hospitation in der Schweiz (Perspektive der Ergo- und Physiotherapie)

Autoren: Viola Meer und Dominik Mayer

 

Im April 2016 konnten wir im Rahmen des Programms Care for Chronic Condition eine interdisziplinäre Teamhospitation im Schweizer Paraplegiker-Zentrum (SPZ) Nottwil durchführen, an der neben dem ärztlichen Sektionsleiter des Querschnittgelähmtenzentrums unserer Einrichtung, RKU Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm, auch zwei Vertreter der Pflege und je ein Vertreter aus Ergo- und Physiotherapie teilnahmen. Der folgende Kurzbericht nimmt die Perspektive der Physio- und Ergotherapie in den Blick.

Paraplegiker-Zentrum Nottwil, Schweiz

Paraplegiker-Zentrum Nottwil, Schweiz / Foto: Simon Fink

Ausgangssituation

Die therapeutische Versorgung ist für querschnittgelähmte Patienten unabkömmlich. Die Physio- und Ergotherapie stellt einen wichtigen Baustein in der Versorgung von querschnittgelähmten Patienten dar. Die Bezugspflege ist ein weiterer wichtiger Baustein für die Verbindung zwischen Patient, Therapeut, und Pflege So können gemeinsam Ziele definiert werden und ihre Umsetzung wird gefördert.

Fragestellung

Das zentrale Ziel der Hospitation war, die Strukturen und den Ablauf einer anderen Akutklinik mit dem Schwerpunkt auf der Versorgung von querschnittgelähmten Patienten kennen zu lernen und die Ergebnisse bei uns in der Klinik einfließen zu lassen. Ebenso war der interdisziplinäre Austausch eine zentrale Fragestellung.

Vor Ort

Der erste Hospitationstag war ein Einführungstag mit Vorträgen und Präsentationen zu verschiedensten Themen. Dadurch erhielten wir einen guten ersten Einblick in die Klinik. Ab dem zweiten Tag hospitierten wir in der Physiotherapie bzw. in der Ergotherapie des SPZ Nottwil. Die Planung seitens der Therapeuten war sowohl vorgegeben als auch flexibel, so dass wir die Möglichkeit hatten, uns den Tagesplan nach eigenen Wünschen zu gestalten. Teilnahmen an Teamsitzungen sowie Austausch mit Kollegen aus dem SPZ Nottwil über Vor/Nachteile der Arbeitsweise war genauso möglich, wie eine Übersicht über das Angebot von Gruppentherapien sowie die Teilnahme an diesen. Ebenso erhielten wir einen Einblick in das Dokumentationssystem einschließlich Erklärung und Diskussion über Vor- und Nachteile des Systems. Während der gesamten Zeit führten wir eine schriftliche Dokumentation der Hospitation.

Erfahrungsaustausch

Die Struktur des ICF-Konzepts (Konzept Funktionale Gesundheit) und dessen Umsetzung konnten wir als Teilnehmer bei Teamsitzungen sowie Gesprächen mit Mitarbeitern des SPZ Nottwil gut überblicken. Abends im Team konnten die Geschehnisse des Tages besprochen und Überlegungen angestellt werden, was in unserer Klinik umsetzbar und sinnvoll ist, aber auch, was im Vergleich zu Nottwil in Ulm ebenso oder auch besser funktioniert. Bezüglich unserer Fragestellungen konnten wir über Gespräche, Beobachtungen sowie detailliertes Nachfragen viele Erkenntnisse und Eindrücke aus Nottwil gewinnen. Organisatorische Dinge sowie die Einbeziehung der Physio- und Ergotherapie ins interdisziplinäre Team konnten wir durch Teilnahme an Besprechungen gezielt miterleben.

Teamhospitation in der Schweiz / Foto: Simon Fink

Teilnehmende der Teamhospitation in der Schweiz / Foto: Simon Fink

Erkenntnistransfer

Nach der Rückkehr nach Ulm fand sowohl eine Teambesprechung mit allen Physiotherapeuten statt, als auch eine Teambesprechung mit allen Ergotherapeuten. Wir präsentierten die Hospitationswoche mit Bildern und Erläuterungen und freuten uns über die anschließende Diskussion.

Einige Abläufe und Strukturen werden in abgewandelter Form bei uns in der Klinik eingeführt. Momentan läuft noch eine Testphase. Wir haben bereits an der Intensivierung der interdisziplinären Absprachen gearbeitet. Zudem findet einmal wöchentlich eine interdisziplinäre Teamsitzung statt. Eine Optimierung der Therapieplanung und Therapieeinteilung ist erfolgt.

Darüber hinaus erfolgte bereits eine Aufnahme von Kontakten nach Nottwil über Therapien, die bei uns aktuell  in diesem Umfang nicht geleistet werden können, zum Beispiel die Tetra-Hand-Chirurgie. Eine eventuelle längerfristige Zusammenarbeit mit dem SPZ Nottwil in Bezug auf fachlichen Austausch, gegenseitige Hospitationen sowie Vermittlung von speziellen Patientenbehandlungen ist in Planung.

Bewertung

Unsere Erwartungen an die Hospitation sind in allen Bereichen absolut erfüllt worden. Wir konnten uns bezüglich der Fragestellungen genau informieren und mit Kollegen aus der Schweiz austauschen. Darüber hinaus war der Aufenthalt im Hinblick auf einige Behandlungsabläufe sehr inspirierend. Es lohnt sich, über den Tellerrand hinaus zu schauen und immer wieder Kleinigkeiten und Verbesserungen an Therapieverläufen auf sich wirken zu lassen. Ebenso war es von Vorteil, dass unsere Gruppe aus einem interdisziplinären Team bestand und wir abends gemeinsam diskutieren konnten. So konnten noch mehr Eindrücke ausgetauscht werden, die über den eigenen Fachbereich hinausgehen. Als positiven Nebeneffekt der Hospitation empfinden wir die Erkenntnis, dass wir in Ulm bereits eine durchaus gute Versorgung leisten und das Geleistete nun besser zu schätzen wissen.

Viola Meer, Ergotherapeutin, Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm
Dominik Mayer Physiotherapeut, Universitäts- und Rehabilitationskliniken Ulm