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Kurzbericht: Pflegerisch-technische Assistenzsysteme im akutklinischen Setting zur Förderung der Aktivitäten des täglichen Lebens von Schlaganfallpatienten. Erfahrungen aus der Schweiz.

Autor: Alexander Hochmuth

 

Bei chronisch verlaufenden neurologischen Erkrankungen entstehen für den Patienten langfristige Einschränkungen der Aktivitäten des täglichen Lebens. Darüber hinaus geht die Versorgung dieser Patientengruppe einher mit starken körperlichen und psychischen Belastungen der zu pflegenden Personen. Über den Einsatz von technischen Assistenzsystemen im Kontext der akutklinischen/pflegerischen Versorgung dieser Patientengruppe gibt es wenige Erkenntnisse. Dies gilt auch für die Auswirkungen und den Nutzen von Technik im Kontext der professionellen Pflegearbeit sowie die Erfassung der Nutzerperspektive.

Technische Assistenzsysteme

Assistenzsysteme umfassen den Einsatz von Monitoring- und Servicerobotern, Rehabilitationsrobotern, Mobilisationshilfen, Sensorsystemen, Selftracking Apps und IT-Systemen zur Erleichterung komplexer Situationen. Im Übergang von der akuten Phase eines Schlaganfalls (oder anderer neurologischen Erkrankungen) bis zur Rehabilitationsphase zielen Maßnahmen des multiprofessionelle Teams – Pflege, Medizin, Physio- und Ergotherapie – darauf ab, die Selbstständigkeit von Schlaganfallpatienten zu erhalten bzw. zu fördern.

Hospitation in der Schweiz

Im November 2016 hatte ich insgesamt eine Woche die Gelegenheit, an unterschiedlichen Einrichtungen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) zu hospitieren, gefördert von der Robert Bosch Stiftung im Programm „Care for Chronic Condition“. Am Department Gesundheit, im Bereich der Ergotherapieforschung, stehen Projekte im Vordergrund, die Menschen mit Einschränkungen in ihrer Handlungsfähigkeit mehr Selbständigkeit und Partizipation ermöglichen. Neben der Überprüfung der Wirksamkeit ergotherapeutischer Methoden und Interventionen, nehmen die Entwicklung und Evaluation von Produkten, Hilfsmitteln und Technologien einen zentralen Stellenwert ein. Während meiner Hospitation konnte ich mit zahlreichen Experten sprechen und diverse Assistenzsysteme für den akutklinischen Bereich kennenlernen. Eine Vielzahl war für die Therapie von Patienten mit einem Schlaganfall konzipiert. Daneben befanden sich viele Systeme in der Phase der Pilotierung.

Beispiel 1: Exoskelette

Als erstes Assistenzsystem sind die Exoskelette zu nennen. Sie bestehen aus einem elastischen Textilstoff, der sich bei Muskelanspannungen versteifen kann und bei Entspannung der Muskeln erschlafft. Es kann als Unterstützung für das Pflegepersonal bei Hebe- und Mobilisationstätigkeiten unterstützend eingesetzt werden oder bei teilmobilen Patienten mit Post-Fall-Syndrom. Es verleiht den Patienten ein Gefühl von Sicherheit und kann zur Erhaltung der Selbstständigkeit, sowie Sturzprophylaxe im neurologischen Kontext beitragen. Darüber hinaus konnte ich zudem ein Hand-Exoskelett kennenlernen. Es unterstützt die gelähmte Hand des Patienten nach einem Schlaganfall. Nach Einschätzung des Experten vor Ort werden Exoskelette auf längere Sicht den Rollstuhl ersetzen.

Beispiel 2: Rehabilitations- und Mobilisationsroboter

Neben der Gruppe von Exoskeletten, habe ich verschiedenste Rehabilitations- und Mobilisationsroboter kennengelernt. Funktionale Bewegungen und sensorische Stimulation spielen eine wichtige Rolle bei der Rehabilitation von Patienten, die an Schlaganfall, Rückenmarksverletzungen, Schädel-Hirn-Trauma, Multipler Sklerose oder anderen neurologischen Bewegungsstörungen leiden. So gibt es beispielsweise einen mobilen Roboter zum funktionellen Gangtraining mit Gewichtsentlastung. Er ermöglicht aufrechtes und freihändiges Gehen ohne räumliche Begrenzungen und kann daher im akutklinischen Setting eingesetzt werden. Andere Anwendungen richten sich an jüngere oder ältere Personen mit Schlaganfall, Schädel-Hirn-Trauma oder anderen neurologischen Krankheiten und Verletzungen, die unter anderem zu einer Beeinträchtigung der Hand- und Armfunktion führen. In der Frührehabilitation neurologischer Patienten kann ein Gerät angewendet werden, das die schrittweise Bewegung und Belastung der Beine kombiniert und so für Sicherheit zur Stabilisierung des Patienten in aufrechter Position sorgt. Auch einen Therapieroboter konnte ich kennenlernen, der im Akutbereich zur Mobilisierung von schwer beeinträchtigten oder bettlägerigen Patienten eingesetzt wird. Im Kontext des DRG Systems, einhergehend mit verkürzten Aufenthalten und einer steigenden Anzahl an multimorbiden Patienten, kann es eine mögliche Alternative in der Frührehabilitation darstellen.

Bewertung

Der technologische Fortschritt führt zu ständigen Veränderungen in der Entwicklung und Verbesserung von Assistenzsystemen und digitalen Anwendungen im Gesundheits- und Therapiebereich. Bisher sind Roboter als Helfer in der akutklinischen Versorgung größtenteils leere Versprechungen geblieben. Die kritische Auseinandersetzung mit der Einhaltung von Datenschutzvorgaben, ethischen und rechtlichen Vorgaben, sowie gesellschaftliche Veränderungen werden in den kommenden Jahren im pflegerischen und medizinischen Kontext an Bedeutung zunehmen.

Schlussbemerkung

Durch meine Hospitation konnte ich neue Erkenntnisse und interessante Ideen für meine Arbeit sammeln. Diese werde ich in meinem beruflichen Umfeld einbringen. Einige Ergebnisse der Hospitation konnte ich bereits in einer Stationssitzung und dem Treffen der Arbeitsgemeinschaft „akademisch Pflegender“ vorstellen. Die gemeinsame Integration technischer Innovationen in das deutsche Gesundheitswesen verstehe ich als zukunftsweisende Aufgabe für alle beteiligten Professionen. Persönlich durfte ich viele aufgeschlossene und freundliche Menschen kennenlernen. Über den Auslandsaufenthalt hinaus werde ich mit ihnen im persönlichen und fachlich Austausch bleiben.

Alexander Hochmuth, Gesundheits- und Krankenpfleger, BScN, Abteilung Neurologie am Klinikum Dortmund