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Kurzbericht: Kurzinterventionen für chronisch Erkrankte. Eine Hospitation in London.

Autoren: Dr. Miriam Depping, Natalie Uhlenbusch

 

 

Ausgangssituation

Menschen mit seltenen chronischen Erkrankungen (selten = weniger als 5 von 10.000 Personen) sind erheblichen Belastungen ausgesetzt, erhalten aber häufig aufgrund der Seltenheit ihrer Erkrankung keine adäquate Behandlung. Auch die psychosozialen Belastungen dieser Patientengruppe haben lange Zeit kaum Aufmerksamkeit erhalten. Mit dem Projekt „Patienten für Patienten“ möchten wir Menschen mit seltenen Erkrankungen bei ihrer Krankheitsbewältigung unterstützen.

Hierfür entwickeln wir derzeit ein neues Programm, das Selbstmanagement und qualifizierte Peer-Beratung miteinander verknüpft. Patienten erhalten im Rahmen dieses Programms ein Selbstmanagement-Manual, das sie selbstständig von zu Hause aus bearbeiten. Hierbei werden sie von anderen Erkrankten telefonisch begleitet, die vorher durch uns auf ihre Beratungstätigkeit vorbereitet und durch Supervision begleitet werden.

Ziel der Hospitation

Die Hospitation in London sollte dazu dienen, uns mit Experten in der Entwicklung und Durchführung von Kurzinterventionen für chronisch Erkrankte auszutauschen. Hierbei standen die folgenden Fragestellungen im Fokus: Welche konkreten Inhalte und Übungen haben sich im Zusammenhang mit Selbstmanagementprogrammen als umsetzbar und wirksam erwiesen? Welche Hindernisse können bei der Implementierung von Selbstmanagementinterventionen auftreten und welche Strategien gibt es, um diese zu bewältigen? Die erlangten Eindrücke sollten uns dabei helfen, die inhaltliche Gestaltung des Selbstmanagement-Manuals bestmöglich umzusetzen. Außerdem wollten wir uns so gut wie möglich auf die Implementierung des Programms vorbereiten.

Abendstimmung in London / Foto: Natalie Uhlenbusch

Abendstimmung in London / Foto: Natalie Uhlenbusch

Durchführung

Um uns mit Experten über die Entwicklung und Implementierung des Programms auszutauschen, fuhren wir im Januar/Februar 2017 für zehn Tage nach London und trafen uns mit der Arbeitsgruppe um Prof. Lance McCracken. Dieser setzt sich mit der Behandlung von chronischem Schmerz auseinander und ist spezialisiert auf Acceptance and Commitment Therapie (ACT), einem therapeutischen Ansatz, der radikale Akzeptanz und Achtsamkeit mit einer Annäherung an das eigene Wertesystem verknüpft.

Der erste Teil der Hospitation fand in der INPUT Pain Unit des St. Thomas Hospital statt. Hier werden Patienten mit chronischem Schmerz mit einem multimodalen Programm behandelt, das auf ACT basiert. Wir begleiteten die Patienten bei ihrem Klinikalltag und hatten zwischen den Sitzungen die Möglichkeit, uns mit dem interprofessionellen Team auszutauschen.

Der zweite Teil der Hospitation fand am Kings College London im Institut für Health Psychology statt. Hier trafen wir uns mehrfach mit der Arbeitsgruppe um Prof. Lance McCracken, diskutierten über die Implementierung des ACT Ansatzes in der INPUT Unit, über den möglichen Einsatz in Selbstmanagement-Programmen sowie über die Arbeit mit Peer-Beratern.

Ergebnisse und Transfer

Ein Hauptergebnis unserer Hospitation ist, dass wir ACT für den Einsatz in unserem Selbstmanagement Programm als geeignet einschätzen. Wir konnten auch bereits konkrete Module diskutieren und auswählen, die wir in unser Programm implementieren können. Ebenfalls sehen wir den therapeutischen Ansatz von ACT als sehr geeignet für die Arbeit mit Patienten mit seltenen Erkrankungen, wobei eine inhaltliche Anpassung hier natürlich unbedingt notwendig ist.

Darüber hinaus gewannen wir wertvolle Implikationen für die Arbeit mit den Peer-Beratern. So ist die Akzeptanz des therapeutischen Ansatzes von großer Bedeutung, weshalb dessen überzeugende Vermittlung unbedingt notwendig ist. Es ist außerdem wichtig, die Peer-Berater vorher gut auszuwählen, unter anderem im Hinblick auf ihre Bereitschaft zur Beratung. Dies beinhaltet beispielsweise, von eigenen Problemen Abstand nehmen zu können und sich voll und ganz auf den zu Beratenden einstellen zu können.

Unabhängig von den Ergebnissen, die wir unmittelbar für die Entwicklung unseres Programms verwenden, hat uns die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team der INPUT Pain Unit sehr beeindruckt. Die aus Psycho-, Physio- und Ergotherapeuten, Pflegekräften und Ärzten bestehende Arbeitsgruppe gewährleistet durch einen sehr engen Austausch und flache Hierarchien eine intensive professionelle Patientenversorgung.

Fazit

Die Hospitation brachte die Entwicklung unseres Selbstmanagement-Programms inhaltlich stark voran und bereitete uns gleichzeitig besser auf die Implementierung vor. Darüber hinaus haben wir wichtige Kontakte knüpfen können, die wir bei etwaigen Fragen im Rahmen unserer Kurzintervention kontaktieren können und mit denen sich potentielle Kooperationen in der Zukunft anbieten. Insgesamt war die Hospitation demnach fachlich wie persönlich sehr ergiebig und wir bedanken uns bei der Robert Bosch Stiftung herzlich für die Ermöglichung dieser gewinnbringenden Maßnahme.

 

Dr. Miriam Depping, Diplom Psychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Schön Klinik Hamburg  Eilbek

Natalie Uhlenbusch, Psychologin, MSc, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Schön Klinik Hamburg  Eilbek