Care for Chronic Condition, Hospitation, Kurzberichte

Kurzbericht: Heart Failure Management in Großbritannien

Autorin: Anja Knoppe

 

Herzinsuffizienz ist eine Herausforderung für unser Gesundheitssystem und stellt bereits heute die häufigste Ursache für Krankenhauseinweisung dar. Die Erkrankung, der meist eine koronare Herzkrankheit oder ein hoher Blutdruck zu Grunde liegt, betrifft in Deutschland etwa jeden Zehnten über 70 Jahren. In älter werdenden Gesellschaften wird sich diese Situation noch zuspitzen, da sind sich Experten aus Politik und Wissenschaft einig.

Patienten profitieren von spezialisiertem Personal

Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz haben nachgewiesenermaßen einen hohen Bedarf an Maßnahmen zur Entwicklung von Selbstmanagementfähigkeiten und dem Erlernen von Kopingstrategien. Auch in Deutschland sollte dieser Bedarf – wie bereits in vielen angloamerikanischen und skandinavischen Ländern – von professionell Pflegenden gedeckt werden. Zahlreiche  klinische Studien haben gezeigt, dass Patienten zum Beispiel von einer engmaschigen telefonischen Betreuung durch dergestalt spezialisiertes Personal profitieren. Ziel sollte es sein, dieses Konzept auch über Forschungsstudien hinaus für die kassenfinanzierte Standardversorgung von Patienten mit Herzschwäche nutzbar zu machen.

Als Pflegende am Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz Würzburg, einem integrierten Forschungs-und Behandlungszentrum, habe ich Erfahrung auf dem Gebiet der Pflege von Patienten mit Herzinsuffizienz. Im Rahmen des Hospitationsprogramms „Care for Chronic Condition“, gefördert durch die Robert Bosch Stiftung und mit der Unterstützung unseres Forschungsleiters, hatte ich die Möglichkeit für eine Woche eine Einrichtung in Großbritannien zu besuchen.

Ziel der Hospitation

Ziel meiner Hospitation war es zu beobachten, wie in Großbritannien die Betreuung und Edukation von Patienten mit Herzinsuffizienz außerhalb von klinischen Studien umgesetzt wird, und Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob diese Art der Betreuung sich auf unser deutsches Gesundheitssystem übertragen lässt. Das Hospitationsprogramm haben wir im Team durchgeführt, wobei meine Kollegin bei Ihrer Hospitation Erfahrungen in einer Klinik in der Schweiz sammeln konnte.

Hospitation in Großbritannien

In Großbritannien wurden basierend auf den NICE Guidelines (National Institut for Health and Care Excellence) für das Management von „Chronic heart failure in adults in primary and secondary care“ vor mehr als 10 Jahren Heart Failure Service Teams für die Versorgung von Patienten mit einer chronischen Herzinsuffizienz gegründet. Im Rahmen der Hospitation hatte ich nun die Gelegenheit, das Heart Failure Service Team des Buckinghamshire Healthcare NHS Trust über eine Woche zu begleiten und genau kennenzulernen. Das Team besteht aus sehr engagierten und kompetenten Krankenschwestern, die eng mit den Kardiologen der Klinik, den Hausärzten und anderen Servicebereichen im stationären und ambulanten Bereich zusammenarbeiten.

nurse-led clinics: Sprechstunde ohne Arzt

Während meiner Hospitation in Großbritannien erhielt ich wertvolle Einblicke darüber, wie die Edukation und Behandlung bereits im stationären Setting durch die Heart Failure Specialist Nurses  des sog. in-reach Teams begonnen und nach Entlassung der Patienten ambulant durch die Heart Failure Specialist Nurses  des out-reach Teams weitergeführt wird. Eine Besonderheit bei der Versorgung im ambulanten Bereich stellen die sog. nurse-led clinics dar. Dabei handelt es sich um eine Sprechstunde, die von den auf dem Gebiet der Herzinsuffizienz geschulten Krankenschwestern durchgeführt wird; die Sprechstunde findet also ohne Arzt statt. Bei Patienten, die nicht in der Lage sind  selbst in die Klinik zu kommen, werden auch Hausbesuche durchgeführt. Auf diese Weise wird eine engmaschige Betreuung der Patienten nach der Entlassung bei gleichzeitiger Entlastung der Hausärzte gewährleistet. Schwerpunkt in den Sprechstunden ist es, die Patienten auf Symptome der Herzinsuffizienz zu untersuchen und an die jeweiligen Bedürfnisse des Patienten angepasstes Wissen über das Management ihrer Erkrankung zu vermitteln, welches der Erhaltung/Verbesserung der Lebensqualität und der Gesundheitsförderung der Betroffenen dient.

Optimierung der medikamentösen Therapie von großer Bedeutung

Von größter Bedeutung bei der Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz ist die Optimierung der medikamentösen Therapie der Patienten. Das Anpassen der Medikamente erfordert viel Fachwissen und eine möglichst engmaschige Betreuung (inkl. Befundkontrollen), um bestmögliche Ziele zu erreichen. In England gibt es sog. non-medical prescribing courses, in denen sich bereits erfahrenes Pflegepersonal in diesem speziellen Gebiet weiterbilden kann. Nach Absolvierung können die Nurses die medikamentöse Behandlung selbstständig unter Berücksichtigung der ESC (European Society of Cardiology) Guidelines durchführen. Dies beinhaltet auch das Ausstellen von Rezepten. Dies stellt einen großen Unterschied zur Versorgungs- und Rechts-Situation in Deutschland dar.

Transfer in der Heimateinrichtung

Wünschenswert wäre es,  auch in Deutschland die stationäre und ambulante Betreuung der Patienten besser zu verknüpfen. Dazu ist das DZHI derzeit für einige neue Projekte mit niedergelassenen Kardiologen und Hausärzten der Umgebung im Gespräch. Herzinsuffizienzschwestern/-pfleger könnten auch in Deutschland als wichtiges Bindeglied und Multiplikatoren zwischen den Kliniken und den mitwirkenden ambulanten Arztpraxen fungieren, wie dies zum Beispiel in England in ähnlicher Weise durch die in-reach und out-reach Teams des dortigen Heart Failure Service Teams bereits praktiziert wird.

Fazit

Zu sehen, wie die Versorgung in England organisiert wird, war unschätzbar wertvoll für mich und viele neue Ideen sind aufgrund der erworbenen Eindrücke in mir gereift.  Die Antwort auf die Frage bleibt allerdings noch offen, wie wir es in Deutschland schaffen können, die Versorgungsleistung für Patienten mit Herzinsuffizienz auch außerhalb der Krankenhäuser noch patientengerechter und damit humaner auszugestalten. Hierzu bedarf es weiterhin gemeinsamer Anstrengung von allen: Gesundheitspolitiker, Ärzte, Pflegepersonal und nicht zuletzt, unseren Patienten.

Dieser Bericht wurde verfasst von Anja Knoppe, Studienassistentin, Herzinsuffizienzschwester Deutschen Zentrum für Herzinsuffizienz, Würzburg.

Kontakt: Knoppe_A[at]ukw.de