Expertenblog Demenz, Menschen mit Demenz im Akutkrankenhaus

Einfach mal wissen, was läuft – Eine Bestandsaufnahme zur Versorgungspraxis für Menschen mit Demenz in Krankenhäusern der Allgemeinversorgung

Autoren: Dr. Beate Radzey und Dr. Martin Seiler

 

Als Zentrum für Informationstransfer hat sich Demenz Support Stuttgart gGmbH seit ihrer Gründung im Jahr 2002 zum Ziel gesetzt, Wissen zur Verfügung zu stellen, um die Versorgungspraxis von Menschen mit Demenz zu verbessern. Umgesetzt wird diese Aufgabe durch vielfältige Tätigkeiten wie etwa die Auswertung des aktuellen internationalen Wissens- und Forschungsstands zu Fragen der Demenz, eine zielgruppenspezifische Aufbereitung vorliegender Erkenntnisse und Ergebnisse sowie das Engagement im Rahmen von Projekten im Bereich der Praxisforschung, Evaluation und Prozessbegleitung, mit deren Hilfe sich wertvolles Wissen generieren lässt. Ein Großteil der durchgeführten Projekte fand dabei im Bereich der stationären Altenhilfe statt. In einem 2012 abgeschlossenen Projekt wurde erstmals auch die Versorgung von Menschen mit Demenz im Krankenhaus in die Untersuchung mit eingeschlossen. Die wichtigsten Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt.

Projektziele

Im Rahmen des vom Sozialministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts, das in Kooperation mit der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg durchgeführt wurde, sollte durch eine schriftliche Befragung der aktuelle Stand der fachlichen Umsetzung von Versorgungskonzepten und -angeboten im stationären Bereich (Pflegeheime, aber auch Akutkrankenhäuser) in Baden-Württemberg erfasst werden. Zielsetzung war es, eine fundierte Datenbasis zu ermitteln, die einerseits als Ausgangspunkt für Impulse zur fachlich-inhaltlichen Weiterentwicklung der Krankenhäuser genutzt werden kann, andererseits die Datengrundlage für ein demenzspezifisches Onlineportal der baden-württembergischen Alzheimer Gesellschaft bildet adjustable cock ring siehe joom. Die Fragebögen für die Krankenhäuser wurden gemeinsam mit der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. entwickelt und über diese an ihre Mitglieder verteilt.

Stichprobe: Wer nahm an der Erhebung teil?

An der Erhebung beteiligten sich 73 Fachabteilungen aus 57 Krankenhäusern, davon 26 mit geriatrischem Schwerpunkt. Zu den teilnehmende Abteilungen zählten insbesondere die Innere Medizin (34), gefolgt von Neurologie (14) und Chirurgie (8). Nach Einschätzung der Teilnehmer sind dies auch die Fachabteilungen mit einem besonders hohen Anteil an Demenzerkrankten. In der Stichprobe sind öffentliche Träger gegenüber den (frei-)gemeinnützigen und privaten Trägern leicht überrepräsentiert. Auch wenn die Stichprobe insgesamt nicht als repräsentativ für die baden-württembergischen Krankenhäuser gelten kann, erlaubt sie doch interessante Einblicke in die Situation vor Ort.

Häufigkeit von Demenz und Vorgehen bei Verdachtsfällen

Die Versorgungsqualität kranker Menschen hängt zunächst von der Diagnostik ab. Dies gilt ganz besonders für Patienten mit Demenz als Nebendiagnose. Über 50 % der teilnehmenden Abteilungen schätzten den Anteil Demenzkranker an ihrer Patientenschaft als unter 10 % liegend ein. Der geschätzte Anteil an demenzkranken Patienten entsprach nur in 23 % der Fachabteilungen dem statistisch zu erwartenden Wert, während 40 % diesen Anteil unterschätzten.

Tritt während des Klinikaufenthalts ein Demenzverdacht auf, so wurde von 57,4 % der teilnehmenden Abteilungen als häufigste Vorgehensweise ein „ärztliches Konsil“ genannt, gefolgt von „Diagnostik- und Behandlungspfad Demenz“ mit 28,8 %. Allerdings verwiesen auch 16,4 % der Krankenhäuser darauf, dass sie zum Zeitpunkt der Erhebung nicht in der Lage waren, auf die Verdachtsdiagnose weiter einzugehen. In fast einem Drittel der Fachabteilungen der Akutkrankenhäuser fand entweder keine weitere Abklärung statt oder man machte zu dieser Frage keine Angabe. Dies deutet darauf hin, dass vor allem in AKH eine weitere Sensibilisierung für das Problem Demenz nötig ist, um eine gute Behandlungs- und Versorgungsqualität für diese Patientengruppe zu erreichen. Erwartungsgemäß wird in Häusern mit geriatrischem Schwerpunkt eher auf das Vorliegen einer Verdachtsdiagnose reagiert als in jenen ohne diesen Schwerpunkt.

Probleme im Umgang mit Patienten mit Demenz

Für demenzkranke Patienten ist der routinierte, starre Krankenhausalltag, bei dem ein Eingehen auf individuelle Bedürfnislagen der Patienten nur eingeschränkt möglich ist, besonders belastend. Die Frage ist u. a., wie das Personal gerüstet ist, mit in dieser Situation umzugehen. Das Hauptproblem im Umgang mit Patienten mit Demenz lag für 60 % der Befragten im Informationsdefizit bezüglich ihrer Patienten. Gewünscht wurde mehr Wissen zu Anamnese und Biographie, zum Teil fehlten auch Angehörige oder eine Kontaktperson, die über diese Informationen verfügen. Generell waren nach Meinung der Befragten Verbesserungen bei der Überleitung ins Krankenhaus erforderlich. Fehlende Informationen führen notgedrungen zu Problemen. Die Häufigkeit der Probleme, die im Zuge der Behandlung von Menschen mit Demenz auftreten, war erschreckend hoch. In nahezu allen Fachabteilungen traten Orientierungsprobleme auf (94,5 %). Die Nachtversorgung (88,3 %) und Kommunikation mit den Patienten (84,9 %) wurden in rund 85 % der Fachabteilungen als problematisch benannt, gefolgt von Ernährung und Körperpflege mit ca. 75 % der Fälle. Die häufigsten Nennungen der problematischen Verhaltensweisen bei Patienten mit Demenz waren Wandern/Umherlaufen (87,7 %), vokale Störungen (82,2 %) und Aggressivität (79,5 %).

Betreuung und Versorgung – Strategien und Konzepte

Bei der Nennung von Strategien, die auf Seiten des Krankenhauspersonals Anwendung finden, wurden auch kritische Vorgehensweisen wie die Gabe beruhigender Medikamente (63,0 %), das Forcieren einer schnellen Entlassung (41,1 %) und auch Fixierung (26,0 %) offen genannt. Diese Strategien kann man nicht unbedingt als bestmögliche und zeitgemäße Behandlung von Patienten mit Demenz bezeichnen und trotzdem wurden sie in unserer Stichprobe relativ häufig genannt. Das könnte u. U. auch daran liegen, dass knapp die Hälfte der Teilnehmer angab, keine demenzspezifischen Versorgungskonzepte zu kennen. Am bekanntesten war das Konzept der Validation, das knapp 20 % bekannt war.

Die wichtigste Ressource der Krankenhäuser im Umgang mit Patienten mit Demenz sind die Angehörigen und deren Einbindung (86,3 %). In 52,1 % der Abteilungen wurde Rooming-in praktiziert, wobei der Ausbau dieses Angebots sowie die Einrichtung spezieller Patientenzimmer zu den Strategien gehören, die am ehesten in Erwägung gezogen wurden. Auch im Ernährungsbereich gab es einige demenzspezifische Angebote (21,9 %), die in einigen Krankenhäusern noch ausgebaut werden sollen (19,2 %).

Informationsverhalten und Fortbildungsbedarf

Die hauptsächlichen Quellen, die man nutzt, um sich über das Thema Demenz und Patienten mit Nebendiagnose Demenz zu informieren, sind Fort- und Weiterbildungen (72,6 %), das Internet (71,2 %) und Fachzeitschriften (68,5 %). Dass man dem Thema zunehmend Bedeutung beimisst, zeigte sich in den Angaben, dass solche Fort- und Weiterbildungen für beide Berufsgruppen, also sowohl für das medizinische als auch das pflegerische Personal in vielen Häusern bereits angeboten wurden (63,0 %) und auch für die nächsten Jahre geplant sind(67,1 %).

Baulich-technische Gestaltung

Ein Krankenhausaufenthalt kann bei demenzkranken Menschen ein schwerwiegendes Ereignis sein, also eine Krisensituation, die mit negativen Konsequenzen verbunden sein kann. Die räumliche Gestaltung von Krankenhäusern kann eine solche Krise verstärken oder – wie man heute weiß – auch abmildern. Die soziophysischen Merkmale eines Krankenhauses und seiner Fachabteilungen können in vielfältiger Weise ein Zurechtkommen der Patienten unterstützen und fördern oder eben behindern, was zu einem weiteren Verlust von Kompetenzen führen kann. Anhand einer vorgegebenen Liste solcher baulich-technischer Ausstattungsmerkmale gaben die Befragungsteilnehmer an, ob diese in der Fachabteilung vorhanden sind oder in Erwägung gezogen werden.

Die Ergebnisse zeigten, dass bei der baulich-technischen Ausstattung bisher noch wenig demenzspezifische Lösungen umgesetzt wurden und auch in Zukunft nur bedingt berücksichtigt werden können. Grund hierfür sind die Regularien zur Krankenhausfinanzierung, nach denen die Länder für die Investitionstätigkeit zuständig sind. Am ehesten wurden zeitliche Orientierungshilfen (45,8 %) sowie Hilfen zum Auffinden des Zimmers, wie beispielsweise Farbcodes an den Türen (9,1 %), eingesetzt. Am häufigsten in Erwägung gezogen wurde der Einsatz von Alarmtrittmatten (19,4 %). Allerdings waren in 65,8 % der Häuser keine Änderungen im Hinblick auf eine bedarfsgerechte Gestaltung für Patienten mit Demenz in naher Zukunft geplant.

Selbsteinschätzung der Krankenhäuser und Ausblick

Eine angemessene Versorgung der Patienten mit Demenz im Krankenhaus steht und fällt nach Ansicht der beteiligten Krankenhäuser mit dem Personal (38,6 %), insbesondere mit dessen fachlicher Eignung und Qualifikation, gefragt sei demnach gerontopsychiatrische Kompetenz. In Krankenhäusern mit geriatrischem Schwerpunkt wurde der Beitrag von Diagnostik und Therapie für eine gute Versorgung hervorgehoben (21,1 %), worunter die diagnostischen Angebote wie Demenzambulanz oder Gedächtnissprechstunde genannt wurden. Das Betreuungs- und Versorgungsangebot des Krankenhauses stand mit 15,8 % an dritter Stelle der Nennungen, worunter v. a. kleinere Häuser die individuelle Betreuung und Versorgung und die kleinen überschaubaren Stationen hervorhoben, die eine familiäre Situation erzeugen und es erleichtern, „verwirrte Patienten zu überwachen“. Von 14,0 % wurden Netzwerke als positives Merkmal für eine gute Versorgung von Patienten mit Demenz im Krankenhaus gesehen.

Die überwiegende Mehrheit der 57 beteiligten Krankenhäuser gab an, sich zukünftig (noch) besser auf die Betreuung und Versorgung Demenzkranker einstellen zu müssen. Diese Notwendigkeit wurde von rund 86 % für sehr groß bzw. groß eingeschätzt und mehr als die Hälfte der Häuser sah hierfür auch gute Chancen (52,6 %). Die Begründungen für die Möglichkeit, sich zukünftig (noch) besser auf die Betreuung und Versorgung Demenzkranker einstellen zu können, beziehen sich nahezu ausschließlich auf das Personal. Am häufigsten wurden die regelmäßigen Fortbildungen im Haus genannt, gefolgt von der Qualifikation des Personals – „Man kann hier kompetent auf Anforderungen eingehen“ – und den guten personellen Rahmenbedingungen bzw. dem guten Personalschlüssel. Auf der negativen Seite wurden an erster Stelle die fehlenden finanziellen Mittel genannt: „Es gibt keine entsprechende Vergütung der hohen Personalkosten“ oder „Der Aufwand für die Versorgung und Betreuung von Demenzpatienten findet sich im DRG-System nicht wieder“. Außerdem bereitet der Personalschlüssel Probleme: „Es gibt einen Personalengpass“, und es fehlt an der räumliche Ausstattung: „Es sind keine geschützten Bereiche bzw. Räume vorhanden“.

Konkrete Maßnahmen in diesem Zusammenhang planten 47,4 % der Häuser, überwiegend waren dies (innerbetriebliche) Fortbildungen und Schulungen der Mitarbeiter (21,1 %), aber auch bauliche Veränderungen (14,0 %), die Entwicklung von eigenen Konzepten oder Versorgungsstandards (12,3 %), z. B. die Gründung eines Demenz-Netzwerks in der Stadt oder als Kooperation zwischen Krankenhaus und ambulanten und stationären Pflegediensten sowie die Einführung eines „Informationsbogen Demenz“ für die Aufnahme und für das „Entlassungsmanagement“.

Fazit

Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Erhebung, dass es in den Krankenhäuser im Hinblick auf eine angemessene Versorgung von Patienten mit Demenz noch Verbesserungsbedarf gibt. Dessen sind sich die Häuser durchaus im Klaren mit der Konsequenz, dass viele auch bewusst dabei sind, sich auf einen entsprechenden Weg zu machen. Zu berichten ist in diesem Zusammenhang u.a. darüber, dass mit der Beteiligung der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft e.V. eine zwischenzeitlich gut etablierte Arbeitshilfe entwickelt wurde (Geriatrie-Check), die es den Krankenhäusern einerseits ermöglicht, geriatrische Patienten frühzeitig zu identifizieren und andererseits Optionen für die anschließende Versorgung aufzeigt.

Dieser Beitrag wurde von Dr. Beate Radzey und Dr. Martina Seiler von der Demenz Support Stuttgart gGmbH verfasst.

Kontakt: b.radzey[at]demenz-support.de